Vorhaben der neuen Regierung
21.12.2017 | Die positiven Vorhaben zur Modernisierung des Arbeitsrechts, das die Gestaltungsmöglichkeiten – insbesondere hinsichtlich der Arbeitszeit – auf der betrieblichen Ebene stärken soll, sowie die Pläne zur Entbürokratisierung wurden bereits in zahlreichen Medien vorgestellt. Eine wesentliche Neuerung betrifft in diesem Zusammenhang auch die Schaffung eines einheitlichen Arbeitnehmerbegriffes, der zu einer Zusammenlegung von Arbeiter und Angestelltenbetriebsrat führen soll. Begrüßenswert ist auch eine praxisgerechte Handhabung des Lohn-und Sozialdumpingbekämpfungsgesetzes durch Fokussierung auf echte Fälle eines Sozialdumpings sowie die Überarbeitung des Kumulationsprinzips im VStG.
Einen großen Erfolg stellt die Abkehr von Gold Plating bei der Umsetzung von EU- rechtlichen Bestimmungen dar – eine langjährige Forderung des Fachverbandes, der nun endlich nachgekommen wurde. Genehmigungen für Betriebsanlagen sollen schneller erfolgen und die UVP-Verfahren vereinfacht werden.
Auch wenn Begriffe wie Chemie, Chemikalien, REACH, Hormone oder endokrine Disruptoren im ganzen Regierungsprogamm – erfreulicherweise - nicht zu finden sind (eine negative Ausnahme bildet hier die kurze Erwähnung von Glyphosat, für das ein Aktionsplan zum Ausstieg geplant ist, was in unseren Augen leider ein Aufspringen auf die Populismuswelle zeigt), so betreffen klarerweise viele Querschnittmaterien unsere Branche massiv.
Energieagenden wandern ins „Nachhaltigkeitsministerium“
Für die chemische Industrie als energieintensiver Sektor sind Reformvorhaben im Klima- und Energiebereich wesentlich. Die Regierung bekennt sich grundsätzlich zu den internationalen und europäischen Klimazielen. Einen Schwerpunkt der Regierungsarbeit bilden die Erarbeitung, der Beschluss und die Umsetzung einer integrierten nationalen Klima- und Energiestrategie. Ziel ist es, die Energieversorgung Österreichs kontinuierlich durch erneuerbare Energieträger aus eigener Produktion zu decken. Im Strombereich soll der Anteil an erneuerbaren Energien bis 2030 100% (national bilanziell) betragen. Die Ökostromförderung soll reformiert werden, um mehr erneuerbare Energien und zugleich mehr Strom für jeden Förder-Euro zu erzielen. Der Fokus solle bei der Reform auf Marktprämien und Investitionsförderungen liegen. Es soll außerdem für erneuerbare Energien bedarfsorientierte und kosteneffiziente Ausbaupfade geben.
Vor dem Hintergrund, dass die Energieagenden vom Wirtschaftsministerium in das neue Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus (vormals BMLFUW) verlegt werden sollen, sehen wir die geplanten Entwicklungen im Bereich erneuerbare Energien, vor allem aus Sicht der energieintensiven Unternehmen, eher kritisch. Essentiell dabei ist, dass die Klima- und Energiestrategie Teil einer zukunftsorientierten Standort- und Wirtschaftspolitik sein muss und sich daher im Gleichklang mit den Zielen der EU und anderen wichtigen Wirtschaftsregionen bewegen muss.
Reduktion der Vorschriften im Bereich Abfall und Arbeitsschutz begrüßenswert
Zu begrüßen sind die Initiativen zur Entbürokratisierung und Reduktion der Vorschriften für Unternehmen im Abfallbereich. Eine gänzliche Abschaffung des Österreichischen Abfall-Elektronischen Datenmanagement (EDM) Systems erscheint wegen EU-weiter künftiger Verpflichtungen zur elektronischen Meldeverpflichtung zwar praxisfern (da man dann ein neues System etablieren müsste). Ein Rückbau auf die gesetzlich notwendigen Funktionalitäten ist jedoch unbedingt zu unterstützen.
Dass unnötige Meldepflichten, wie z.B. Leermeldungen ins PRTR Register, abgeschafft werden, ist seit langem unsere Forderung und wir freuen uns, dass diese nun angegangen werden.
Auch im Bereich des Arbeitnehmerschutzes ist ein Abbau von Meldeverpflichtungen geplant. Das Arbeitsinspektorat soll als Serviceeinrichtung etabliert werden und dem Prinzip „beraten statt strafen“ folgen.
Life Science Strategie wurde übernommen
Im Bereich der Forschung werden Programme zur Unterstützung innovativer Unternehmen auf dem Weg zum Forschungsergebnis in den Markt als Vorhaben genannt. Sehr erfreulich für den Fachverband ist auch, dass die Umsetzung für die Life Science Strategie, an der wir maßgeblich beteiligt waren, als Vorhaben explizit im Regierungsprogramm angeführt ist.
Langersehnte Kassenfusion
Die Vorhaben zur Reform der Sozialversicherungen entsprechen unseren langjährigen Forderungen. Die weiteren Punkte, die die Pharmaindustrie betreffen sind noch nicht mit genauen Inhalten hinterlegt (Überarbeitung des Erstattungskodex, Gendermedizin, Polypharmazie, Pharmakogenetik,…), und können daher nicht abschließend bewertet werden.
Bioökonomie nicht clusterfähig
Der Behandlung des Forschungs- und Innovationsthemas Bioökonomie stehen wir positiv gegenüber, da gerade unsere Betriebe eine Schlüsselrolle bei der Erforschung des Einsatzes von biogenen Rohstoffen einnehmen. Die Verstärkung des Zuflusses der Fördermittel begrüßen wir daher. Der Aufbau eines Bioökonomie-Clusters ist allerdings aus unserer Sicht eine schwer umsetzbare Maßnahme, da Bioökonomie keine eigene „clusterfähige“ Technologie ist, sondern eine Neugestaltung der Wertschöpfungskaskade darstellt.
Positive Einstellung zum Freihandel
Für eine Branche, die 70 Prozent ihrer Produktion im Ausland absetzt, ist es auch zu begrüßen, dass die neue Regierung eine positive Haltung zum Freihandel einnimmt.
Naturwissenschaften im Bildungsbereich im Fokus
Auch wenn sich das Wort „Chemie“ nirgends – schon gar nicht in der Bildungspolitik der neuen Regierung -, finden lässt, so ist die erwähnte Verstärkung der Kenntnisse im MINT-Bereich trotzdem als positiv zu bewerten ebenso wie die Bestrebungen nach digitalen Grundkompetenzen. Mit einem Ausbau der dualen Bildung und einer Fachkräfteoffensive will sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass Unternehmen die Fachkräfte bekommen, die sie brauchen.
Fazit
So positiv viele Punkte im Regierungsprogramm für die chemische Industrie sind, generell ist anzumerken, dass es sich bei den meisten Punkten um sehr allgemein formulierte Überschriften handelt und noch kaum konkrete Pläne zur Umsetzung bekannt sind. Es bleibt daher zu hoffen, dass die neue Bundesregierung den nötigen Reformwillen aufbringt und die positiven Vorhaben auch gegen erwartbare Widerstände umsetzt.